Urlauberin in Bologna, Bild: Danjiela Prijovic, CC0 unplash

Darum ist die Zugreise viel entspannter als die mit dem Flugzeug

Das Flugzeug ist noch immer das meistbenutzte Mittel, um in den Urlaub zu kommen. Dabei gibt es gute Gründe, warum du deine nächste Reise mit dem Zug antreten solltest. Und die Moral kommt dabei erst ganz zum Schluss.

Wer heute die Zeitung aufschlägt, dem vergeht nicht selten der Appetit. Beileibe nicht nur am Essen, sondern auch an der Welt im Allgemeinen. Und das ist gleich mehrfach schade. Denn der Welt geht es gar nicht so schlecht, wie man manchmal meinen mag. Wer die Welt nicht kennt, geht eher davon aus, dass alles und alle darin schlecht sein. Also: reisen musste. Aber das ist ja auch wieder Teil des Problems. CO2. Massentourismus. Streikende Fluglotsen.

Am Ende reist man nicht, sondern macht Urlaub und steigt wohl oder übel in den Flieger. Ist ja billig. Ist ja schnell. Also gebucht, gebongt, geflogen. Wie sonst, ohne Flugzeug, soll man den noch Urlauben dürfen? Gerade Menschen mit Kindern oder die mit wenig Zeit sehen da partout keinen Weg. Mit anderen Worten: alle.

Dabei gibt es ihn. Schnell, günstig und weit. Es gibt den Weg, auf dem du sogar ganz neue Urlaubserfahrungen sammeln kannst. Innerhalb kurzer Urlaubsphasen, mit wenig Geld und wenig Stress. Mit dem Zug geht das.

Wie das geht, habe ich selbst erst kürzlich auf einem Wochenendstrip erfahren. Das Zeitpensum: Exakt drei Tage netto. Ziel: Bologna in Norditalien. Hämisches Grinsen stand meinen erleichterten Arbeitskollegen schon bei diesem ersten Satz meiner Erzählung im Gesicht. „Ach ja, siehste! Der Öko fliegt mal wieder!“ Wie falsch sie lagen. Die Reisezeit von 10 Stunden im Zug gehörte zum schönsten Teil des gesamten Trips.

Warum? Deswegen:

Zugreisen bringen dich direkt ins Stadtzentrum

Bist du schon einmal aus dem Flugzeug ausgestiegen und bist dann, erstaunt über die Schönheit der Altstadt, erstmal einen Wein trinken gegangen? 

Aus gutem Grund wurden Flughäfen an den Stadtrand oder besser noch irgendeinen armen Ort noch weiter draußen verbannt. Flugzeuge liefern zwar Touristen und Businesspeople, aber sie sind eben auch verdammt laut. Mit dem Zug dagegen beamst du dich direkt in die Stadt. Du ersparst dir außerdem Checkins, furchteinflössende Start- und Landephasen, das Gepäckabholen, aufgeblähte Sicherheitschecks und lange Fahrten mit der S-Bahn dorthin, wo du eigentlich hin wolltest.

Mit dem Zug fährst du viel flexibler ab und reist auch zurück, wann du willst

Auf der Hinreise mag das ja noch gehen: in aller Herrgottsfrühe aufstehen, voller Vorfreude mit der S-Bahn zum Flughafen, sich dort zum richtigen Gate durchkämpfen und all das, um dann mittags schon wieder in der S-Bahn zu sitzen um zum Hotel zu fahren. Spätestens bei der Rückreise macht das alles keinen Sinn mehr: das verpasste Frühstück im Hotel, schon wieder in aller Herrgottsfrühe mit der S-Bahn zum Flughafen. 

In Europa sind wir mit einem vernünftigen Zugnetz gesegnet und die fahren in aller Regel mehrfach am Tag ab. Du kannst also auch sagen: Nein, ich mach da nicht mehr mit: Meinen letzten Urlaubstag steh ich erst mittags auf, ess‘ nochmal eine gute Pizza und fahre dann schön gemütlich nach Hause. 

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Im Zug hast du deutlich mehr Komfort

Es gibt viele Menschen, die horrende Summen dafür zahlen, um im Flugzeug einen bequemen Sitz mit Beinfreiheit ergattern zu können. In der ersten Klasse fliegen zu wollen ist auch kein abwegiger Wunsch angesichts der Zustände in einem normalen Flugzeug. Enge Reihen, wenig bis ausbleibende Beinfreiheit und nervige Werbung liegen auf Busniveau.

Im Zug dagegen sitzt man auch in der zweiten Klasse schon bequem wie im Wohnzimmer. Mit etwas Glück hast du sogar eine ganze Kabine für dich! Gerade auf wenig populären Strecken ist das keine Seltenheit und du hast einen exklusiven Komfort, von dem selbst erste Klasse-Flieger nur träumen können.

Vertrete dir die Beine oder geh was Essen im Bordbistro

Auf langen Fahrten kann das Sitzen auch im bequemsten Wohnzimmersitz schon mal ungemütlich werden oder noch schlimmer: die Chips und das Bier gehen aus. In der Regel gibt es dafür aber eine wunderbare Lösung. Der Besuch im Bordrestaurant kann eine Zugfahrt veredeln wie ein paar Schokostreusel auf einer Kugel Joghurt-Minze-Eis.

Riesige Fenster eröffnen einen fulminanten Blick auf die Strecke und bestenfalls gibt es sogar noch etwas Gutes zu Essen. Fast immer zumindest ein paar Nüsse und Wein oder Bier. Damit vergeht die Zeit sogar im Zug wie im Flug und noch besser als das: Sie wird schon zum Teil des Urlaubs, auch wenn es sich vorher vielleicht noch nicht so anfühlte.

Ein typisches Bordrestaurant; Bild:  Clarissa Watson, CC0 unplash
Ein typisches Bordrestaurant; Bild: Clarissa Watson, CC0 unplash

Das Essen im Zug ist um Längen besser als im Flugzeug

Je nachdem in welchem Land du reist: Einige Bordrestaurants verfügen über eine respektable Küche. In einem Flieger ist daran überhaupt nicht zu denken. Nicht nur, dass es dort im Umkreis von Tausenden Metern gar keine Küche gibt, der Platz zu gering ist und keine Zeit da ist. Dort oben, da wird noch am Platz gegessen! Die sind eng, unbequem und den tollen Blick aus dem Fenster gibt es auch nicht.

Jetzt kommen wir wieder zum Zug. Besonders empfehlenswert sind die polnische und die tschechische Bahn. Die bereiten das Essen tatsächlich weitgehend frisch zu. Dafür ist es ziemlich fleischlastig. Wenn es kein vernünftiges Bordrestaurant gibt auf deiner Verbindung, das Ticket verrät es dir vorab, kannst du dich einfach mit sorgfältig ausgewähltem Proviant vorher ausrüsten. Auch das wird dir niemand abnehmen – es sei denn du hast nette Sitznachbarn.

Foto: Johannes Hofmann, CC0 unsplash

Du siehst Landschaften, die du so noch nie zuvor gesehen hast

Auf einer Zugreise von München nach Bologna überquerst du die Alpen und wirst beobachten können, wie sich die Berge neben dir majestätisch auftürmen, bis du dich in schneebedeckte Gipfellandschaften wiederfindest. Wenn du von Dresden nach Prag fährst, staunst du über die Elbe und ihre süßen kleinen Dörfer neben skurrilen Felsformationen.

Aber selbst auf weniger spektakulären Strecken wirst du immer wieder wundervolle Landschaften an dir vorbeirollen sehen. Das ist alles nicht vergleichbar mit Autobahnfahrten, da Zugstrecken nicht weggesperrt werden müssen. Sie entführen dich in die Schönheit der Provinz, der kleinen Dörfer und Bahnhöfe fremder Städte. Nicht selten wird dein mitgebrachtes Buch irgendwann neben dir liegen, wenn du träumend aus dem Fenster schaust. Ein charmanter Nebeneffekt: du gewöhnst dich an die Ferne und erreichst deinen Zielort wohlig eingegroovt.

Verspätungen und verpasste Anschlüsse können zu einem kleinen Abenteuer führen

Verspätungen können zur Folge haben, dass du den Zug in deiner Verbindung verpasst und dann erst einmal irgendwo festsitzt. Aber ganz oft wird genau das zum Glücksfall. Zumindest, wenn man sich darauf einlässt. Denn im Gegensatz zum Flugzeug, bei dem man dann erst einmal im Flughafen eingesperrt ist, stellt der Bahnhof ein Portal zu einer dir womöglich bislang unbekannten Stadt dar. Das ist ein großer Vorteil: stell dir vor, du nutzt die Verspätung für die Erkundung einer dir fremden Stadt, für einen Restaurantbesuch oder für ein Museum.

Du bist nervigen Sitznachbarn nicht schutzlos ausgeliefert

Die Plätze im Flugzeug sind fest vergeben und so können unangenehme Mitmenschen einem schon einmal die Reise verderben. Im Zug dagegen gibt es so gut wie immer Chancen, solchen Situationen zu entkommen.

Selbst bei vollem Zug kann man sich entweder selbst noch einmal auf die Suche begeben oder taktisch klug einen Späher losschicken, der dann die angrenzenden Abteile durchkämmt. Mit einer Jacke lässt der gefundene Platz sich leicht markieren und dann in einer konzertierte Aktion übernehmen. Tschüss, nerviges Kunststudentenpaar!

Deine Reiseziele liegen nicht mehr im Fadenkreuz des Massentourismus

Wie schön Venedig doch auf den Bildchen im Web aussieht und wie geschmeidig sich der Sand an der Küste Portugals entlangzieht. Die Realität sieht oft anders aus und mal ganz ehrlich: das wissen wir sogar schon vorher. Trotzdem fahren wir hin und sind dann verärgert. Es ist wie Burgeressen bei McDonald’s: Man weiß einfach, dass es nicht schmeckt. 

Der Massentourismus wird von Flugzeugen und Kreuzfahrtschiffen transportiert. Wenn du mit dem Zug unterwegs bist, kannst du diesem Schema ein Schnippchen schlagen. Du kannst dann Städte bereisen, die auf der Landkarte vieler Tourismusunternehmen gar nicht vorkommen. In Bologna zum Beispiel habe ich an einem ganzen Wochenende kein einziges Mal „Guten Tag“ gehört. Es war, wie in einem anderen Land zu sein.

Du schonst das Klima. Eine Reise mit dem Zug verursacht 88 Prozent weniger C02

Wer heute mit dem Flugzeug reist, hat das schlechte Gewissen oft gleich mit im Gepäck. Eine Hin- und Rückreise von Hamburg nach München schlägt beim ICE mit 37,4 Kilogramm Co2 pro Person zu Buche, während es mit dem Flieger satte 310 sind. Als Umweltschützer wird sich deswegen niemand aufspielen müssen, genauso wenig wie ein Fliegender zwingend eine Umweltsau sein muss.

Mit dem Zug bist du etwas weniger stark daran beteiligt, den Planeten zu zerstören und die Chancen stehen gut, dass du an deinem Zielort nicht zum Problem des Overtourism beiträgst. Und ganz beiläufig herrlich entspannt und gut genährt ankommst.

Na dann. Gute Fahrt.


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Beitragsbild: Urlauberin in Bologna, Bild: Danjiela Prijovic, CC0 unplash

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